Die Städte-Allianz hat Bundesratskandidatinnen und -kandidaten* zur Vorlage Bahn 2030 befragt

Die Städte-Allianz hat Bundesratskandidatinnen und -kandidaten* zur Vorlage Bahn 2030 befragt
10. September 2010 Städte-Allianz ÖV Ost- und Zentralschweiz

*Angefragt wurden, aber sich gegenüber der Städte-Allianz bis 25.8. nicht geäussert oder abgesagt haben: Regierungsrätin Regine Aeppli, Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer, Nationalrätin Jacqueline Fehr, Regierungsrätin Karin Keller-Suter, Regierungsrätin Patrizia Pesenti, Nationalrat Adrian Amstutz, Nationalrat Caspar Baader, Nationalrat Hannes Germann, Nationalrat Ulrich Giezendanner, Nationalrat Peter Malama und Nationalrat Johann N. Schneider-Ammann.

Sind Sie auch der Meinung, dass für Bahn 2030 die verschleppte Behebung der gravierenden Kapazitätsengpässe in der Zufahrt zum schweizerischen Wirtschaftsmotor Zürich (u.a. Brüttener Tunnel und Zimmerberg-Tunnel) vordringlich ist?

Nationalrätin Marlies Bänziger, Grüne, Winterthur ZH

Ja. Denn eigentlich handelt es sich um die verspätete Bahn 2000, also ein Bahnnetz, das bereits einmal als sinnvoll und wichtig erachtet und bewilligt, aber noch nicht gebaut worden ist. Dies obwohl die zentralen Wirtschaftsregionen ständig gewachsen sind. Der ÖV-Ausbau hinkt hier massiv hinterher. Darum ist ein ausgereiftes Projekt Bahn 2030 so zentral. Nicht nur im Metropolitanraum Zürich, sonder auch in der Romandie und der Zentralschweiz.

Nationalrat Geri Müller, Grüne, Baden AG

Ja. Kapazitätsengpässe müssen zu aller erst dort abgebaut werden, wo die Verkehrsströme am stärksten sind, bei der „Aorta“, und das ist um die Schweizer Grossstädte. Aber auch dies, mit dem Vorbehalt, entsprechend beim MIV abgebaut. Auf die Dauer kann sich die Schweiz einen Doppelausbau (Schiene und Strasse) nicht mehr leisten. Betrieb und Unterhalt wäre nicht mehr finanzierbar.

Nationalrat Ignazio Cassis, FDP.Die Liberalen, Montagnola (TI)

Ja, sofern sich aufgrund einer Analyse der Schienenbelastung und einer Prognose der Güter- und Personenzugszahlen im Raum Zürich die Beseitigung dieser Flaschenhälse als vordringlich erweist. Ich vermute, dass das im Raum Zürich der Fall ist. Ich bin überzeugt, dass wir bei der Beseitigung von Kapazitätsengpässen die Stärken des Schienengüterverkehrs stärken müssen.

Nationalrat Ruedi Noser, FDP.Die Liberalen, Hombrechtikon (ZH)

Ja. Mit der fast zeitgleichen Eröffnung der Gotthardbasisstrecke und des Durchgangsbahnhofs in Zürich wird sich die Engpasssituation bei den Zufahrten noch stärker akzentuieren. Da wird der Leidensdruck so gross werden, dass man nicht umhin kommen wird, diese Engpässe umgehend zu beheben.

Regierungsrätin Eva Herzog, SP, Basel (BS)

Ja, doch ein ebenso zentrales Vorhaben wie der Brüttener und der Zimmerberg-Tunnel ist ein neuer Juradurchstich zwischen dem Raum Basel und dem Mittelland, denn erst dieser ermöglicht leistungsfähige und rasche Bahnverbindungen aus den Wirtschaftsräumen Zürich und Zentral- und Ostschweiz zur zweitgrössten Wirtschaftsregion Basel und zu den europäischen Zentren Paris, Frankfurt, etc.

Nationalrätin Hildegard Fässler, SP, Grabs (SG)

Ja, ich bin der Ansicht, dass Lösungen für diesen Wirtschaftsraum dringlich sind. Wenn in Zürich Engpässe bestehen, hat das Auswirkungen auf die ganze Schweiz. Zusätzlich braucht es aber eine Gesamtsicht auf Bahn 2030, die alle Regionen einbezieht und die finanzierbar ist. Dabei sind insbesondere vom Volk gutgeheissene, aber zurück gestellte Vorhaben wie z.B. das dritte Gleis Lausanne-Genf zu berücksichtigen.

Ständerätin Simonetta Sommaruga, SP, Bern (BE)

Die Behebung der Kapazitätsengpässe steht im Vordergrund. Diese muss aufgrund von Analysen der heutigen und zukünftigen Verkehrsströme, der Kapazitätsauslastungen und der Entwicklungsprognosen geplant werden. Der Bund kann in jedem einzelnen Fall auf eine Kosten-Nutzen-Analyse nicht verzichten.

Nationalrätin Brigit Wyss, Grüne, Solothurn (SO)

Kapazitätsengpässe gibt es in allen Regionen der Schweiz. Wichtig ist jetzt, dass die für die Behebung der Engpässe nötigen 21 Milliarden Franken bereitgestellt werden können. Als Solothurnerin bin ich sehr enttäuscht, dass der 3. Juradurchstich, der Wisenbergtunnel in die 2. Priorität zurückgestuft wurde.

Stimmen Sie zu, dass sich die Bahn 2030 prioritär auf Kapazitätserweiterung statt auf Tempo-Erhöhung ausrichten soll?

Nationalrätin Marlies Bänziger, Grüne, Winterthur ZH

Ja. Wobei vor allem auch der Güterverkehr (deshalb braucht es den Brüttener Tunnel statt den Vierspurausbau) und die Sicherheit der Bahnkorridore in die Planung einbezogen werden muss. Immer auch müssen die zusätzlichen Lärmimmissionen bedacht werden, was ebenfalls für Tunnel Lösungen spricht.

Nationalrat Geri Müller, Grüne, Baden AG

Ja. Wenn Kapazität beim Öffentlichen Verkehr (ÖV) ausgebaut wird, muss aber entsprechend beim motorisierten Individualverkehr (MIV) abgebaut werden. Die heutigen Transportmöglichkeiten begünstigen die Zersiedelung der Schweiz und zerstören damit fast unwiederbringbar eine Ressource, von welcher die Schweiz zuwenig hat: Land. Dezidiert bin ich gegen eine Beschleunigung, insbesondere deshalb, weil diese motiviert, noch weitere Distanzen zu bewältigen.

Nationalrat Ignazio Cassis, FDP.Die Liberalen, Montagnola (TI)

Ja. Prestigeprojekte für Hochgeschwindigkeiten bringen im Gegensatz zu Kapazitätsausbauten nur wenig Nutzen bringen. Angesichts knapper Kassen ist aber jedes Investitionsprojekt der Schiene wie auch der Strasse kritisch zu prüfen.
Insbesondere vor dem Hintergrund der Verlagerungspolitik ist zu prüfen, inwieweit Bahn 2030 dem Güterverkehr auf der Schiene nützt. Davon profitiert auch der Personenverkehr auf der Schiene, da er sich in einem ähnlichen Geschwindigkeitsfenster wie der Güterverkehr bewegt.

Nationalrat Ruedi Noser, FDP.Die Liberalen, Hombrechtikon (ZH)

Ja, jede Investition muss primär zum Ziel haben, die Kapazitäten bei der Bahn zu steigern. Wir haben heute im Fern- wie auch im Nahverkehr viele Engpässe, die behoben werden müssen. Gleichzeitig müssen wir aber auch dafür sorgen, dass die Schweiz den Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz nicht verpasst.

Regierungsrätin Eva Herzog, SP, Basel (BS)

Ja. Kapazitätserweiterungen ermöglichen insbesondere den Ausbau des Regionalverkehrs in den Agglomerationen. Zusätzlich sollten mit Ausbauten auf den am stärksten belasteten Abschnitten dank Entflechtung des schnellen Personenfernverkehrs vom langsameren Güter- und Regionalverkehr kürzere Fahrzeiten erzielt werden können. Gerade bei der Juraquerung wäre aber eine gewisse Beschleunigung durchaus angebracht, nicht zuletzt um die Anbindung der Schweiz an die europäischen Metropolen zu beschleunigen.

Nationalrätin Hildegard Fässler, SP, Grabs (SG)

Erste Priorität hat für mich der Substanzerhalt. Die vorgesehenen Mittel reichen leider nicht aus, um die Leistungsfähigkeit des bestehenden SBB-Netzes in der Zukunft zu gewährleisten. Der Mehrbedarf liegt zwischen 500 und 850 Millionen Franken pro Jahr. Zweite Priorität hat eine Kapazitätserweiterung – falls es dafür finanzielle Mittel gibt – und erst am Schluss steht die Tempoerhöhung.

Ständerätin Simonetta Sommaruga, SP, Bern (BE)

Die Erfüllung des Kapazitätsbedarfs ist absolut zentral und prioritär. Manchmal kann aber auch eine Beschleunigung und Durchlaufszeitreduktion zur Kapazitätserweiterung beitragen. Die richtige Kombination muss sich aus der Verkehrsplanung ergeben. Nebst Neuinvestitionen sind im Rahmen von Bahn 2030 unbedingt auch die Investitionen in den Unterhalt und die Substanzerhaltung zu berücksichtigen.

Nationalrätin Brigit Wyss, Grüne, Solothurn (SO)

Ja.

Welche Massnahme(n) stehen für Sie zur Finanzierung der Bahn 2030 im Vordergrund?

Nationalrätin Marlies Bänziger, Grüne, Winterthur ZH

Zweckgebundene Weiterverwendung der Mineralölsteuer zur Finanzierung des FinöV-Fonds

Verursacherorientierte Finanzierung über eine Bahnabgabe (darf aber nicht dazu führen, dass die Strasse noch mehr belastet wird)

Befristete Umwidmung des LSVA-Kantonsanteils kombiniert mit einer Finanzierung durch begünstigte Regionen (muss aber mit den Kantonen sorgfältig diskutiert werden)

Zusätzliche Mehrwertsteuer-Promille

Nationalrat Geri Müller, Grüne, Baden AG

Zweckgebundene Weiterverwendung der Mineralölsteuer zur Finanzierung des FinöV-Fonds

Verursacherorientierte Finanzierung über eine Bahnabgabe (unter Berücksichtung, dass die Städte schon heute sehr viel für den ÖV leisten)

Befristete Umwidmung des LSVA-Kantonsanteils kombiniert mit einer Finanzierung durch begünstigte Regionen

Nationalrat Ignazio Cassis, FDP.Die Liberalen, Montagnola (TI)

Wir müssen über die Finanzierung der Bahn 2030 nachdenken und gleichzeitig die Finanzierungsströme des öffentlichen Verkehrs entflechten. Dann stehen für mich Massnahmen zur Erhöhung des Kostendeckungsgrads, wie der verursacherorientierte Bahnrappen, und eine stärkere Beteiligung der Kantone bei der Infrastrukturfinanzierung im Vordergrund.

Nationalrat Ruedi Noser, FDP.Die Liberalen, Hombrechtikon (ZH)

Vermutlich wird man nicht darum herum kommen, die Bahnfahrenden stärker zur Kasse zu bitten, um das hervorragende Dienstleistungsangebot der Bahn langfristig aufrecht erhalten zu können. Vorstellbar wäre eine substantielle Erhöhung der Fahrpreise entlang folgender Prinzipien:

  1. Bahnkarten mit einer Fahrzeit von unter 30 Minuten sollen weiterhin subventioniert werden; ab 30 Minuten sollen die vollen Kosten verrechnet werden, insbesondere bei Abonnementen
  2. Die so zusätzlich erwirtschafteten Einnahmen sollen jenen Bahnstrecken zugute kommen, auf denen sie erwirtschaftet werden
  3. Für Bahnkarten sollen je nach Tageszeit (und damit Verkehrsaufkommen) unterschiedliche Preise gelten
  4. Die heutigen Basisbeiträge an den FinoV-Fonds sollen beibehalten werden
Regierungsrätin Eva Herzog, SP, Basel (BS)

Zweckgebundene Weiterverwendung der Mineralölsteuer zur Finanzierung des FinöV-Fonds

Reduktion, bzw. Abschaffung steuerlicher Fahrkosten-Abzüge

Pendlerabgabe durch Arbeitgeber

Nationalrätin Hildegard Fässler, SP, Grabs (SG)

Es braucht in erster Priorität einen ausgewogenen Massnahmenmix:

FinöV-Fonds erweitern, d.h. auch für den Unterhalt öffnen, dass künftig die Finanzierung von Ausbau und Unterhalt aus einem Gefäss erfolgen

Neuverteilung der Mineralölsteuer-Einnahmen gemäss der Volksinitiative „Für den öffentlichen Verkehr“

Mobility Pricing, welches auf alle Verkehrsmittel bzw. –träger neutral angewendet wird und die bisherigen Verkehrsabgaben (Mineralölsteuer) ersetzt

Anpassung der Höhe der Trassenpreise für eine ausreichende Finanzierung der SBB

Steuerabzug für PendlerInnen streichen, mit Ausnahmen für Leute, die keine Wahlmöglichkeit haben (z.B. SchichtarbeiterInnen)

Einführung der Erbschaftssteuer mit einer vorgeschriebenen Teilzweckbindung für den Verkehr

Ständerätin Simonetta Sommaruga, SP, Bern (BE)

Jede Steuer braucht eine Verfassungsgrundlage. Deshalb ist eine Lösung immer mit den Interessen von Volk und Kantonen zu vereinbaren.

Für mich stehen die Weiterführung und die Zweckerweiterung der bisherigen Verkehrsabgaben (Mineralölsteuer) im Vordergrund. Wenn die Autofahrer auch zur Kasse gebeten werden, müssen sie eine Entlastung des Strassennetzes durch Umlagerung auf den öffentlichen Verkehr (öV) erwarten können. Von einer weiteren Mehrwertsteuererhöhung für den öV würde ich absehen. Diese wird schon für die Finanzierung von Sozialversicherungen (AHV, IV) herangezogen.

Nationalrätin Brigit Wyss, Grüne, Solothurn (SO)

Zweckgebundene Weiterverwendung der Mineralölsteuer zur Finanzierung des FinöV-Fonds

Verwendung der Hälfte der Mineralölsteuer für die Förderung des schienen- und strassengebundenen öffentlichen Personenverkehrs und für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene gemäss der VCS-Initiative „Für den öffentlichen Verkehr“